Fertig gepackt – mit 23,8 von 24 kg zugelassenen Kilo (fast) eine Punktlandung. Dennoch das Gefühl, Essenzielles vergessen zu haben. Wobei Bücher, Lötkolben, Laptop und Unterhosen (in absteigender Wichtigkeit) doch eigentlich eingepackt sind…

1
Circle K Rathcoole

Wie es sich für einen guten Flug gehört, hab ich ihn größtenteils verschlafen.

Jetzt gerade das Auto abgeholt: Dank meiner ausgeprägten Links-Rechts-Schwäche habe ich die beiden Seiten so wenig verinnerlicht, dass mir nicht mal auffällt, dass jetzt alles anders ist. Damit ist das Fahren auf der falschen Seite tatsächlich super easy 😎

2
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

…am Cottage angekommen, unfallfrei.

3
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Vorstellung bei den neuen Nachbarn – Grüß Gott!

4
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Frühstück mit Hund

5
P1 Burren National Park Walks

Im Burren National Park. Wenige Touris, viele Steine und mittendrin ein paar Ziegen – ein Traum.

6
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Kerrygold in production 🐄

Gerade über eine Stunde durch die irische Pampa gelaufen, um an der 24/7-Tankstelle ein Eis zu kaufen. Salted Caramel in dicker Schokohülle – jeder Meter hat sich gelohnt.

7
Cliffs of Moher Liscannor Walk

Ein stoischer Dauerregen seit dem frühen Morgen – man hätte ihn fast als trist bezeichnen können – bescherte mir den glücklichen Umstand, dass regenscheue Touris (also alle) sich in wohlig-warme Cafés drängten, um den Tag mit \240laktosefreiem Cappuccino zu vertreiben. Somit hatte ich das – vermutlich andernfalls überlaufene – landschaftliche Highlight, the Cliffs of Moher, für mich allein.

Wobei es nicht ganz stimmt: Auch diese tapferen Kühe (diesmal eher Marke Berchtesgadener als Kerrygold) strotzten dem Regen.

Ich kann mir nur ausmalen, wie sehr es die Touris geärgert haben muss, als sich dann am frühen Nachmittag – vom Wetterbericht offensichtlich unbeeindruckt – die Sonne zeigte und den Schaum des Cappuccinos zum Einstürzen brauchte.

8
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Zum Abendessen gibt’s Rührei von den fleißigen Haushühnern –

…anschließend kurzer Tratsch mit der Nachbarschaft…

…und auf den dritten Versuch trau ich mich schließlich doch zum See, vorbei an den wilden Rindern.

9
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Manche Tage sind hart, andere härter – Arbeiten in der irischen Sonne.

10
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Der Regen bietet eine willkommene Einladung, den Abend lötend vor dem Kamin zu verbringen. Einzig der Whiskey fehlt – ich habe tatsächlich immer noch keinen Liquor Store gefunden, um einen zu kaufen. Der nächste ist laut Google über 30 Autominuten entfernt. So sitz ich im Trockenen auf dem Trockenen – und das in Irland. Macht beides keinen Sinn.

11
Ballycuggeran

Nachdem mich ein virtueller Workshop den ganzen Nachmittag an den Laptop fesselte, stoppte der Regen pünktlich um 18 Uhr – eine perfekte Gelegenheit, um bei mystischer Abendstimmung auf den Moylussa (einen Berg in meiner Nähe) zu laufen.

Angeblich der höchste Berg der Region. In etwa so hoch wie unser Münchner Luitpoldpark.

Und jetzt: Ein Eis von meiner geliebten 24/7-Tankstelle, Salted Caramel, wie immer.

12
12 O'Clock Hills

Man kann nicht immer Glück haben mit dem irischen Wetter. Direkt in den ersten 10 Minuten von einem Regenschauer überrascht worden. Die nächsten 1,5 Stunden dann verhaltener Sonnenschein, was jedoch nichts mehr daran ändern konnte, dass meine Klamotten trieften.

Gelohnt hat es sich dennoch…

13
Doon Lough (Natural Heritage Area)

Kurzer Zwischenstopp am See bevor daheim der Kamin wartet (immer noch keine Whisky).

14
MakerShop.ie

Es sieht so aus, als wäre es tatsächlich einfacher, in Irland elektronische Teile als Whiskey zu kaufen.

15
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Und endlich ist es soweit:

Der Whiskey kommt aus Limerick (was nicht allzu weit von meinem temporären Zuhause entfernt ist – gekauft allerdings in einem unpersönlichen Off-Licence-Store in Ennis), die Kaufentscheidung wurde vor allem auf Grund des Namens „The Journey“ getroffen – neben der Ansprache „Welcome Searchers & Seekers, Explorers & Adventurers“. Dass das mein Whiskey werden würde, war da sofort klar.

Er schmeckt: Nach stickigen Pubs, mystischen Abenden, Nieselregen im Gesicht. Genau wie ich ihn mir vorgestellt hatte.

Heute übrigens endlich verstanden, dass schottischer Whisky ohne e, irischer jedoch mit -ey geschrieben wird. Dafür musste ich 31 Jahre alt werden. Frappierend.

Was außerdem passiert ist: Die Hauskatze hat Junge bekommen, 6 kleine Katzenbabies. Jedes sieht anders aus, alle weich, alle hungrig. Fotos folgen.

Den Nachmittag saß ich mit meiner Gastgeberin – international ausstellende Textilkünstlerin – in ihrem Studio. Sehr spannender Austausch. Sie gab mir die Adresse einer irischen Leinenmanufaktur, von wo ich die Stoffe für meine Installation beziehen möchte.

Einziges Ärgernis des Tages: Meine Arduinos spielen noch nicht so mit, könnte am USB-Hub liegen. Ach ja, und meine Klamotten fangen langsam an zu müffeln, zu viel Handwäsche und Trocknen im Regen. Meine Nachbarn, die Schafe, meinten jedoch, das würde nicht stören.

16
killkee

Heute um 6:30 vom Prasseln des Regens aufgewacht. Von der Aussicht angetrieben, den Touris erneut entkommen zu können, ging es wieder an den Atlantik. Diesmal etwas weiter südlich, nach Killkee.

17
Brian Boru's Oak Tree

Darf ich vorstellen: Brian Boro‘s Oak Tree, der älteste Baum Irlands. Sein Alter wird auf ca. 1000 Jahre geschätzt:

Was ich nicht verstehe: Wie schafft es Brian, nun schon an die eintausend irische Winter zu überstehen, ich bringe meine („winterharten“, zumindest laut Dehner) Balkonpflanzen hingegen durch keinen einzigen Münchner Spätherbst?

Viel mehr als Brian fasziniert mich allerdings der verlassene Bauernhof, der von der Natur zurückerobert wurde –

Und ich gebe zu, für die Erkundung dieses Bauernhofs über ein paar Zäune geklettert zu sein, auf denen kein „Visitors warmly welcome“ stand. Aber vielleicht war das vom Regen auch einfach weggewaschen worden.

18
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Man trägt Verantwortung: Heute für 6 Katzenbabies und deren Mutter sowie für das Haushuhn.

Sobald ein Katzenbaby in diesem Haufen endlich die perfekte Schlafposition gefunden hat, merkt das nächste, dass die ihre noch verbesserungswürdig wäre – woraufhin es sich aus dem Kuschelgewühl herauskämpft, um sich seinerseits die perfekte Schlafposition zu erarbeiten. Mit der Folge, dass dadurch die Schlafpositionen aller anderen verändert werden. Man kann es sich denken: Am Ende schläft niemand, und alle wusseln immer weiter um sich selbst. Die Mutter trägt es mit Gelassenheit.

Da ist so ein Huhn schon etwas einfacher gestrickt: Futter da, Welt gut.

19
Drewsborough House

Was ein cooler Zufall: Um mich auf die Reise vorzubereiten, habe ich mir vom Buchhändler meines Vertrauens passende Literatur empfehlen lassen. Darunter: 3 Bücher von Edna O‘Brien, die zu den einflussreichsten irischen Schriftstellern gehört.

1930 geboren, schreibt sie über die Kindheit und das Erwachsenwerden in einem irischen Dorf. Das Dorfleben wird lebendig beschrieben – der Weg vom Bauernhaus ins Dorfzentrum, vorbei an den Kuhweiden, der verrauchte Pub, in dem der alkoholabhängige Vater das Familieneinkommen vertrinkt, die repressive Dorfgemeinschaft. Über hunderte Seiten lebte ich mit ihr in diesem Dorf.

Und jetzt finde ich raus, dass ihre Bücher in genau meinem Dorf spielen!

20
Loophead Lighthouse

Der Atlantik zeigte sich heute von einer überraschend sanften Seite – viel Sonne, kaum Wind und wenig Wellen. Bei Regen beeindruckt er mich deutlich mehr – dieses strahlend-glatte Blau des Wassers, kombiniert mit diesen violetten Blumen überall, das hatte zwischenzeitlich fast schon etwas kitschiges.

Größtes Problem der vierstündigen Wanderung entlang der Küste: Verhaltensauffällige Rinder. Mehr als einmal gab es kein Durchkommen für mich, da die Herde geschlossen gegen Besucher auf ihrer Weide stimmte. Hier noch recht nette Exemplare:

Weniger entspannt wurde es, als eine Weide weiter der ausgewachsene Stier mit blutunterlaufenen Augen auf mich zugaloppierte, wild schnaubend dabei (ich übertreibe nicht!), und mich nur ein 3 Millimeter-Draht von diesem Ungetüm trennte. Ich fürchtete, dass er das Stehenbleiben und Fotografieren als persönlichen Affront auffassen könnte – und das konnte ich in Anbetracht des dünnen Drahts wirklich nicht riskieren – und musste daher auf ein Foto verzichten.

21
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Eine Runde Nachbarn zählen vor dem Zu-Bett-Gehen –

Alle vollzählig.

Im Übrigen wurde mir heute schon ein Job als Schafhirtin (oder doch eher Schafmagd?) angeboten. Auch in Teilzeit denkbar:

Auf dem Rückweg vom Atlantik hatte mein Leihwagen Mr. O‘Knorxy einen Platten. Zwei nette Farmer waren sofort zur Stelle, um mir den Reifen zu wechseln. Nachdem wir uns über ihre Schafe und Kühe unterhalten hatten und ich meine Begeisterung für meine wolligen Nachbarn kundgetan habe, kam es zu diesem aussichtsreichen Jobangebot. Tatsächlich nicht ganz unernst gemeint.

Auch wenn aus dem Job leider nichts werden wird, konnten sie mir erklären, was mit den Kühen hier nicht stimmt: Die schwarz-weißen Kerrygold-Kühe sind in Ordnung, das sind gechillte Milchkühe. Die anderen jedoch sind eine besondere Fleischrasse (deren Namen ich leider vergessen habe) und durchaus aggressiv. Man sei gewarnt!

22
Treacys Service Station

Nach der Arbeit bekam der alte Mr. O‘Knorxy in der netten kleinen Autowerkstatt meines Dorfes erst mal einen neuen Reifen verpasst und ist jetzt wieder bereit für neue Abenteuer.

Am Telefon lachte der lebensfrohe Rheinländer meiner Versicherungsgesellschaft, in Irland könne es doch jedem mal passieren, dass man einen Stein übersieht und sich einen Platten holt. Sie kommen natürlich gerne für die Kosten auf.

Anschließend kleine Runde ums Dorf gedreht – und als hätten sie gespürt, dass ich nicht vorhabe ihre Weide zu überqueren, waren die heutigen Rinder ganz zahm. Könnte jedoch auch daran liegen, dass der Testosteronspiegel hier deutlich niedriger war als auf den Weiden gestern.

23
The Lookout

Heute haben sie es geschafft: Die irischen Rinder konnten mich davon abhalten, eine kleine Feierabend-Zweigipfel-Tour zu absolvieren. Ich musste mich geschlagen geben und nach einem Gipfel abbrechen – und selbst dann musste ich noch einen großen Umweg in Kauf nehmen, um zum Auto zurückzukommen.

Wenn das so weitergeht, fange ich wieder an Rindfleisch zu essen.

Bis hierhin lief alles problemlos, der erste Gipfel war schon geschafft.

Als dieser Kollege hier aus dem Gebüsch geklettert kam, fand ich das erst mal ziemlich amüsant. Bis ich eine Kurve weiter die Herde schwarzer Bullen entdeckte, die sich direkt auf dem Weg platziert hatten und mich anstarrten. So ernst wurde ich von \240noch keinem Türsteher der Münchner Clubs je gemustert, und eigentlich ist das doch deren Kernkompetenz.

Schnell war klar, dass es hier kein Durchkommen gibt. Ich versuchte es noch eine Weile fernab des Weges, zerkratzte mir die Beine an diversen Dornbüschen und gab schließlich auf.

Also zurück zum ersten Gipfel und dann Abstieg Richtung Auto. Aber auch hier gab es Hindernisse: Dies wäre meine Wanderroute gewesen:

Ich musste erneut umkehren, der Umweg betrug eine Stunde. Vielen Dank in die Runde, morgen gibt es Steak.

24
Doon Lough Parking

Kleiner Abendspaziergang um den See. Ohne Zwischenfälle tierischer Natur, fast ein bisschen langweilig.

(Liebe Kühe, das war doch nur ein Witz gestern. Ihr dürft mir weiter Angst einjagen, ohne dass ich euch deswegen essen werde. Es gab auch wirklich kein Steak heute.)

25
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Damit nicht der Eindruck entsteht, ich würde hier in Irland nicht arbeiten –

Die Nächte lassen sich mit Whiskey, Musik und Kaminfeuer ganz hervorragend nutzen, um an einer neuen Website für Picaroon zu arbeiten.

26
6 Kincora View, Ballina, Co. Tipperary, V94 X32T, Irland

Nachdem ich ja vorgestern von den Rindern vom zweiten Gipfel abgehalten wurde, holte ich den heute in einer fünfstündigen Wanderung nach (in einem großen Bogen um die Stiere herum).

Was Irland richtig gut kann: Bemerkenswert schöne Wolkenformationen.

Ha! Heute haben sie mich nicht gekriegt, die Bullen.

27
Portumna Castle

Kleiner Abstecher zum Portumna Castle –

Um 1890 war das stolze Schloss von einem Feuer schwer beschädigt und lange Zeit als Ruine belassen worden. Fotos aus den frühen 60er Jahren zeigen eine mystische, ausgebrannte Ruine. 1964 begann Irland schließlich damit, es für sehr viel Geld wiederaufbauen lassen. Mühevoll wurden alle Details rekonstruiert und von Experten aus dem ganzen Land in liebevoller Handarbeit wiederhergestellt. Ich schätze diese Arbeit, merke aber wieder einmal, wie sich derart instand gehaltene Gebäude für mich nach banaler Touristenattraktion anfühlen, denen es an Authentizität fehlt – diese lässt sich einfach nicht rekonstruieren.

Sehr viel spannender fand ich daher die Klosterruine ein paar Meter weiter, für die sich niemanden zu interessieren schien. Wenn man genau hinsah, konnte man hier noch die Schatten der Mönche durch die schmalen Gänge huschen sehen –

28
Portumna Forest Park

Den restlichen Nachmittag damit verbracht, durch einen irischen Zauberwald zu streifen. Sie schreiben zwar auf ihrer Website nur etwas von Weißkopfseeadlern, ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass hier auch Kobolde beheimatet sind.

Bedauerlicherweise konnte ich weder das eine noch das andere entdecken.

Während dem Atlantik Sturm und Regen unheimlich gut steht, verwandeln sich Seen bei Winter und schlechtem Wetter oft in diese mürben Tristessen –

Da hilft eigentlich nur, sich mit einem passenden Regenmantel gegen die Monochromie der Landschaft aufzulehnen.

…jetzt geht’s hungrig nach Hause, wo bereits irischer Kabeljau auf seine Zubereitung wartet (denn – wenn auch es eine verlockende Vorstellung wäre – ich ernähre mich hier in Irland nicht ausschließlich von Porridge, wie ich das noch zu Schottlandzeiten gemacht habe). Der frische Fisch ist ausgezeichnet!

29
Ballykelly

Ursprünglich hatte ich geplant, heute einmal nichts weiter zu unternehmen – das Wetter war eindeutig zu gut für den Atlantik, hinzu kam die Sorge, Sonntags bei Sonnenschein schließlich doch noch einen Touristen in Irland zu entdecken.

Nachdem ich dann also den Vormittag damit verbracht hatte, an meiner neuen Website zu arbeiten und recht weit gekommen war, packte mich dann doch die Abenteuerlust. Und so streifte ich wieder einige Stunden durch die irische Landschaft, was neuerdings zu meinem Lieblingshobby gehört.

Vor allem, weil es diesmal eine freundliche Überraschung tierischer Natur gab –

Denn glücklicherweise ist es nicht so, dass alle Tiere hier in Irland Vorbehalte gegen Fremde (– würden sie mich wohl als Tourist bezeichnen?–) haben.

Karotten gab‘s leider keine, wir haben uns trotzdem gut verstanden.

Und hier habe ich mich dann wohl bei der Beschaffenheit des Bodens verschätzt. Heute Abend heißt es Schuhe putzen.

30
Doolin

Vielversprechendes Wetter heute morgen – leichter Regen, grauer Wind. Kurz: Der Atlantik rief. Von Liscannor ging es mit dem Bus nach Doolin, um die 20 km an den Klippen entlang zurückzuwandern.

Insgesamt unschlüssiges Wetter heute. Eine solch schnelle Abfolge von Regen und Sonne, dass ich mit Jacke an- und ausziehen kaum hinterherkam.

Zwischendurch: Stehender Regen in der Luft, Sturm von allen Seiten – so gehört Atlantik!

Dann das Betrübnis: Etwa auf halben Weg entlang dieser geradezu magischen Einsamkeit kamen mir plötzlich ausgelassene Touristen in unangebrachter Kleidung (mal ganz abgesehen von der modischen Verfehlung – mit diesen Schuhen könnte ich nicht mal auf Asphalt laufen) und mit Coffee-To-Go-Bechern in der Hand entgegen. Die Ursache war schnell gefunden: Eine Kurve weiter spülten Reisebusse wie am Fließband Touristen auf die Klippen – „5 minutes photo opportunity!“. Obwohl diese Stumpfsinnigkeit bald vorüber war (spätestens, als der Teerweg wieder in den felsigen Trampelpfad mündete), brauchte es bestimmt 5 weitere Kilometer, bis der Atlantik für mich seinen anfänglichen Zauber zurückhatte.

31
Broadford

Wie gewöhnlich ging es nach der Arbeit zu einer kleinen Abendwanderung.

Heute wieder einen besonders freundlichen Stier getroffen (diesmal in Sicherheit hinter einem Stahltor, daher hatte ich endlich Gelegenheit, ein Video zu machen): Nachdem mich der Stier aus einiger Entfernung bemerkt hatte (ich trug eine rote Jacke, doch das sollte nichts zur Sache tun), begann er, sich mir knurrend (ja, das können Stiere! In Irland gelernt) zu nähern. Hinter einem Baum blieb er dann – fortwährend knurrend – stehen und beobachtete mich, bis ich mich zehn Minuten später endlich vom Acker machte.

So klingen also knurrende Stiere, und dies ist der Grund weshalb ich in Irland panische Angst vor Rindern entwickelt habe:

32
Cragnamurragh

Die heutige After-Work-Wanderung wurde etwas abenteuerlicher als geplant. Entweder hab ich mich in der Distanz verschätzt, ich war langsamer als sonst oder die Sonne ging schneller unter als üblich – wahrscheinlich war von allem was dabei. Führte jedenfalls dazu, dass ich mich zum Ende hin doch etwas sputen musste, um vor Dunkelheit zurück auf dem befestigten Weg zu sein.

Hinter dieser Kurve erwarteten mich einmal mehr große Tiere – diesmal glücklicherweise eine Herde von Pferden mit ihren Fohlen. Unglaublich, welch friedliche Ruhe Pferde in der freien Natur ausstrahlen, vor allem in den späten Abendstunden. Das hatte mich damals im Dartmoor schon fasziniert. Allein für diesen Moment hatte sich das heutige Abenteuer gelohnt.

Da hinten links erkennt man auch schon das Ziel, den Gipfel (sofern man das bei einem Hügel so nennen kann) des Cragnamurragh. Ab welcher Erhabenheit hört ein Haufen eigentlich auf, Hügel zu sein und wird zum Berg?:

Oben angekommen bleibt entgegen aller Zuversicht kein Zweifel, dass die Sonne heute untergehen wird.

Lektion des Tages: Querfeldein zu laufen, um eine 5 Kilometer-Kurve entlang des Bergkamms abzukürzen, spart keine Minute. Keine einzige.

Nach diesem noch recht zugänglichen Wald warteten 500 Meter Dornen-Himbeerfeld. Ich redete mir ein, dass die tausende Micro-Kratzer bestimmt gut für die Durchblutung sind. Fühle mich auch schon viel jünger.

Und dann: Befestigter Weg, die letzten Kilometer eigneten sich hervorragend für ein Hörbuch (gelegentlich begleitet von Rehen mit ihren Kitzen). Gute Nacht!

33
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Mit der richtigen Unterstützung läuft die Arbeit doch gleich leichter.

34
Ballykildea Mountain

Erneute After-Work-Wanderung. Daran könnte ich mich durchaus gewöhnen – sehr schade, dass die Berge in München dazu zu weit weg sind.

Ich liebe diese irischen Wolkenformationen!

Obwohl nicht so weit wie gestern, nur etwa 10 Kilometer, war der Weg recht anspruchsvoll – größtenteils ging es querfeldein mitten durchs Dickicht.

Dabei hat sich dann auch ein neuer tierischer Gegner vorgestellt: Die Zecke. Auf den ersten Blick nicht ganz so furchteinflösend wie ein Stier, aber zahlenmäßig überlegen und nachhaltiger in ihrem Angriff. Ich konnte mich noch nicht entscheiden, welcher Gegner der schlimmere ist.

35
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Nachdem die Abendwanderungen der letzten beiden Tage mit ihren Kämpfen gegen Zecken, Stiere und Dornbüsche – und das im ständigen Wettlauf gegen den Sonnenuntergang – doch recht anstrengend waren, gönnte ich mir heute einen entspannten Tag im Cottage. Gerade kam nach einem verregneten Tag doch noch die Sonne raus und ruft dazu auf, die schafigen Nachbarn gleich noch zu besuchen und draußen zu lesen. Den Hügel runter auf dem Weg zum See liegt eine zufällige Holzpalette mitten im Nirgendwo – kein Haus weit und breit, nur sanfte Hügel und die Schafe. Das ist schon seit einiger Zeit mein geheimer Lieblings-Leseplatz, fast noch besser als vor dem Kamin.

36
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Auf dem Weg zu meiner Palette…

Und hier sitze ich also fast jeden Abend (zumindest, wenn ich nicht gerade in irgendwelchen Dornbüschen hänge) – großes Glück, dass mir hier jemand einen Leseplatz gebaut hat.

37
Irish Seed Savers Association

Mein Gastgeber nahm mich heute Vormittag mit zu Seed Savers, eine Organisation, die sich für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur einsetzt. Dort hielt ein gewisser Ted Cook, Rechtsanwalt für Ökologie (ich gebe zu, es gibt bestimmt eine bessere Übersetzung, sowohl für den Zweck der Organisation als auch für seine Berufsbezeichnung) einen Vortrag.

Ich erwarte mir nicht allzu viel von dem Vortrag an sich (irgendwas über Pflanzen, deren englische Begriffe ich nicht kenne) – doch es stellte sich heraus, dass er die Grundsätze der Ökologie letzendlich als Philosophie für die Menschheit als solche verstand. Vieles von dem, was er sagte, war unheimlich inspirierend, ich blieb viel länger als geplant.

Jetzt geht es weiter nach Galway, wo ich spontan ein überteuertes Hotel gebucht habe, um endlich einmal in den Genuss von Guiness in stickigen Pubs zu kommen!

38
Maldron Hotel Sandy Road Galway

Nachdem mir die PIN meiner Kreditkarte wieder eingefallen war, konnte ich mein Hotelzimmer in Galway dann auch beziehen.

Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich links oder rechts schlafen werde (wozu bitte stattet man Hotelzimmer mit zwei Doppelbetten aus!?).

39
Galway

Nach drei Wochen Schafe zählen also dann doch mal wieder Stadtleben mit Pizza (auf das irische Pubfood hab ich getrost verzichtet), Guiness und Cider. Im bunten Trubel von Galway hätte man fast vergessen können, dass es so etwas wie Corona gibt.

Irland ist im Übrigen das perfekte Land, un alleine zu reisen. Kaum die Stadt betreten, hatte ich bereits vier nette Iren kennengelernt. Wie sich herausstellte, kam die Familie des einen aus Tuamgraney (meinem temporären Heimatdorf) und kennt meine beiden Gastgeber Nicola und Cormac. Seine Familie betreibt dort eine Bio-Landwirtschaft mit Rindern. Ob es seine Rinder waren, die nach meinem Leben trachteten, lies sich allerdings nicht mehr rekonstruieren.

///

Kleiner Nachtrag noch zu Ted Cook, dem „Umwelt-Philosophen“, den ich heute Vormittag kennengelernt habe:

(Symbolbild, aufgenommen irgendwo am Atlantik, als ich mich über „die wilden Rinder“ ärgerte)

Ted ging auf das Wort „wild“ ein. Die Engländer, die die Iren in der Vergangenheit nie so recht zu bezwingen wussten, sprachen immer ratlos-abwertend von „the wild Irish“. Wie Ted darlegte, kommt das für uns ja eher negativ konnotierte Wort „wild“ ursprünglich von “will“, also „Wille“. Es bedeutet damit im Wortsinn, dass etwas seinen eigenen Willen hat und damit nicht bezwingbar ist. Ärgerlich natürlich für die Bezwinger. So gesehen ist es also ein unglaublich positives Adjektiv – ich denke, wir sollten alle ein bisschen wilder sein.

Und die Rinde haben meinen Respekt zurück.

40
Galway Park

Manchmal liebe ich ja diese kurzen Ausflüge in die absolute Stillosigkeit. Als ich gegen sechs Uhr nach viel zu wenig Schlaf die Nacht für beendet erklärte (im linken Bett schlief man nicht besser als im rechten, mit hat schlicht die dritte Option gefehlt), begab ich mit mauem Kaffee von McDonalds und Joghurt von Tesco in einem nahegelegenen Park und frühstücke – auf einem Stein sitzend, denn leider wurde vergessen, in diesem Park Bänke aufzustellen. Passiert den besten.

Danach geht es weiter an den Atlantik, wohin denn auch sonst.

41
Gleninigh Mountain

Zwischenstopp im Burren Nationalpark für eine Wanderung. Bekannt für seinen Kalkstein gab es hier – Steine.

Viele Steine.

Hier zu sehen: Steine, aufgeschichtet.

Oder: Steine, als Wall vor totem Baum (er konnte den Anblick der Steine nicht mehr ertragen, so sagt man).

Irland kann auch Strand. Was ich jedoch nicht verstehe – wer legt sich freiwillig an den Strand, wenn man auch Steine bestaunen kann?

42
Moylassa

Da auch der schönste Monat irgendwann zu Ende gehen muss, ist es so langsam an der Zeit, Abschied von meiner sehr lieb gewonnen temporären Heimat zu nehmen. Heute ging es noch einmal auf meinen Lieblingsberg, den Moylassa.

Diesmal bei strahlendem Sonnenschein, so hat er durchaus auch seinen Reiz.

Morgen geht es dann nach Waterford zur Leinen-Manufaktur, um die Stoffe für meine Installation zu finden, und von da aus nach Limerick, wo Sebastian stranden wird :)

43
Kilkenny Castle

Kurzer Zwischenstopp in Kilkenny bevor es weiter nach Waterford geht.

Und hier fand ich ihn schließlich: Den ersten (und vielleicht einzigen?) exzellenten Kaffee in ganz Irland:

44
Emblem Weavers (Export Ltd)

Die Fahrt hat sich gelohnt: Nachdem einer spannenden Werksführung bekam ich eine super Beratung und hab jetzt die richtigen Leinen für meine Installation gefunden.

Nächste Woche dürfen sich die fleißigen Maschinen dann an 60 qm Naturleinen machen.

Schön, dass es in Europa noch derartige Fabriken gibt!

45
9 Temple Ln S, Temple Bar, Dublin, Irland

Spontan ging es doch nach Dublin, um Sebastian persönlich vom Flughafen abzuholen – standesgemäß ;)

46
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Erste Bekanntmachung mit der Nachbarin.

Und da ich das Paradies ja sowieso am Samstag verlassen muss…

47
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Nach einer weiteren Runde Hühner füttern und – eine meiner Lieblingsbeschäftigungen – Katzenbabies streicheln, gibt es Dinner in der Abendsonne

48
Am See

Trauen wir uns über die Kuhwiese zum See? Da hinten stehen sie, sie wurden bereits auf uns aufmerksam.

Ja, wir wagen uns vor. Sicherheitshalber aber doch lieber über einen Umweg am Bach entlang, in den man sich zur Not stürzen könnte.

Überlebt.

49
RAW Interiors & Cafe

Das typisch irische Essen lassen wir mal aus.

50
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Den vorletzten Abend lassen wir auf der Veranda ausklingen, musikalisch untermalt vom vertrauten Blöken der Schafe, ab und zu ruft eine Kuh.

51
Spanish Point

Ein letztes Mal Atlantik – den salzigen Geruch von Algen und dieses beruhigende Geräusch der Brandung werde ich vermissen!

Sebastian ist in der Zwischenzeit damit beschäftigt, aus dem porösen Stein eine Speerspitze zu schnitzen, um damit Kabeljau fürs Abendessen zu fangen. Ich bin sehr zuversichtlich denke schon mal über die Beilagen nach.

52
Nualas Pub

Nachdem aus Sebastians Speerspitze nichts geworden ist – sie brach ab, \240kurz vor der Fertigstellung – gab es heute Abend doch keinen frisch gefangenen Kabeljau. Also ging es zwanzig Fussminuten in den Dorfpub.

Zumindest wären es 20 Minuten, wenn man nicht von so einigen freundlichen Dorfbewohnern aufgehalten werden würde.

So oder so – der Weg hat sich gelohnt.

53
Unnamed Road, Callahy, Co. Clare, Irland

Tschüss, sehr schön war’s!