Tag 1 - \24014.12.2019

Im Morgengrauen werde ich von meinem Guide abgeholt. Hugo heißt er und spricht soviel englisch wie ich spanisch. Aber auf das Abenteuer habe ich mich eingelassen als ich erfuhr, dass meine komplette Gruppe in letzter Minute gecancelt hatte. Ich bin gern für mich und das Nötigste an Kommunikation schaffen wir schon.

Nach dreistündiger Autofahrt sind wir am Start des Treks. Ein Tal zu Fuße des Humantay - Soraypampa genannt. Der Esel José wird gesattelt, wir sollten ihn erst am Ende der ersten Etappe wiedersehen. Hugo und ich machen uns auf den Weg zum Lake Humantay, eine Lagune auf über 4.300m. Wir starten bei 3.800m - 500 Höhenmeter, kenn ich aus Zermatt, dachte ich. Hugo flitzt davon wie ein Wiesel und ich komme in der Höhe schnell an meine Grenzen. Ich schwitze wie blöd und leg schon bald das hardshell ab, da fallen mir meine Trekpoles ins Auge, ein wahrer Lebensretter! Viele Gruppen überholend schöpfe ich neue Kraft nur um gleich keuchend im Regen die Jacke wieder anzuziehen. Das Wetter schlägt wirklich minütlich um, Temperaturschwankungen über 20 Grad in Sekunden sind keine Seltenheit. Nach ca. 1 Stunde und gefühlt am Ende meiner Kräfte erscheint die Lagune vor mir und alle Strapazen sind vergessen. Ein unbeschreiblich klares Türkis breitet sich vor einem Gletscher aus, der von einem 6000er mit Eis und Schneeschmelze den See füllt. Traumhaft! Nach einigen Fotos und kurzer Pause geht es wieder komplett bergab, nur um dann auf der anderen Seite den Salkantay Pass zu erklimmen. Nochmal zähe 700 Höhenmeter die mich auf eine Weise fordern wie ich es so nicht kenne. Die eigenen Kräfte und Lungenkapazität dem Tempo anzupassen will gelernt sein. Der Körper kann noch so fit sein, werden die Muskeln nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgt ist erstmal Schluss. Mit zunehmender Höhe werden die Pausenabstände kürzer. Hugo springt nach wie vor vorne weg und so trage ich die Konversation mit mir selbst aus. Ähnliche Gefühle wie die Post-30km Phase eines Marathons kommen in mir hoch. Aber hier geht es nicht um Zeit. Ich bleibe stehen, spreche mit Lamas und Eseln und erfreue mich der phantastischen Aussicht.

Auf 4.550m erreichen wir fast die Spitze des Passes und auch unser erstes Camp. Jose der Esel und sein grinsender Bursche (Moises) warten schon auf uns. Ich bin verblüfft, dass wir auf 4.500m nächtigen, denn in meiner Karte steht ein Camp auf 3.900m. Mein Wohlbefinden freundet sich aber schnell damit an, denn ich bekomme Kopfweh und verspüre ein komisches Stechen in der Brust. Ich trinke viel Wasser und trockne mein verschwitztes Midlayer in der Sonne und schon hat Hugo das Zelt in einem Strohverschlag (Windschutz) aufgebaut. Moises hat das Küchenzelt aufgebaut und Hugo setzt sofort heißen Tee auf. Zudem habe ich die Wahl zwischen Kaffee, Kakao und Crackern. Das Abendeseen danach war köstlich. Ich komme mir fast vor wie ein König - all das nur für mich - das geht mir nur schwer in den Kopf und ich danke den Jungs jede gereichte Hand. Sicher wird man auch in einem Hotel bewirtet und bekommt sein Zimmer gemacht, aber was die beiden auf 4.500m aus dem Rücken eines Esels zaubern hat einen eigenen Stellenwert. Immernoch gerührt lieg ich nun in zwei! Schlafsäcken im Zelt und fange mit Stirnlampe auf dem Kopf zu schreiben an. Ich nehme einen letzen Schluck aus meiner warmen Teeflasche, die zugleich meine Füße wärmt. Es sind um die Null Grad. Was für ein Start...

Die Humantay Lagune

Nicht nur die Aussicht verschlägt einem den Atem

Hier ging’s hoch

José unser treuer Begleiter

Unfassbarer Service auf 4.500m

Mt. Salkantay - ein 6000er

Der Start des Tagebuchs

Tag 2 - 15.12.2019

Die Nacht im Zelt verbrachte ich von 8-6 etwas unruhig. Manches ferne Donnergrollen wechselt sich ab mit tosenden Lawinen die sich vom Salkantay in unsere Richtung lösten. Der Abstand war zwar mehr als genug aber in den Bergen hallt das eben bis vors Zelt.

Nach dem Frühstück geht es nochmal 40min bergauf bis zur Spitze des Passes. Meine Uhr zeigt 4.705m über Null. Ein irrer Ausblick so nah am Gletscher und am Rande des 6000er. Auf dem Weg nach oben passierten wir verspielte Chinchillas und mit einem kleinen Unweg zeigt mir Hugo einen Gletschersee, der mit seinem Türkis wie ein Juwel im Krater vor uns liegt.

Danach geht es 6 Stunden bergab, ein technischer Downhill, der mit zunehmenden Regen und schlammigen Pfaden einiges abverlangt. Mit fast 2.000 Höhenmetern bergab passieren wir verschiedene Vegetationszonen - vom kargen Hochgebirge über Gras bewachsenes Hochland hin zu tropischen Wildwuchs, stets begleitet von Bächen die sich zu reißenden Flüssen sammeln. In der Nähe des Rio Salkantay betreten wir unser Lager. Hugo hat mir tatsächlich eine Pfannenpizza gebacken und ich revanchiere mich mit einer Runde Bier, denn der Betreiber lebt an der Campsite und verdient sich mit dem Verkauf etwas dazu. Es gab sogar eine warme Dusche! Morgen soll es warm werden soviel hab ich verstanden, ich bin gespannt. Das milde Klima und das Rauschen des Flusses im Hintergrund versprechen eine ruhige Nacht.

Auf der Spitze des Salkantay Passes, japps

Wenn man schon auf der Geraden schnauft

Gletscher greifbar nahe

Lagune am Salkantay Pass

Bergab durchs Hochland

Tag 3 - 16.12.2019

Die Wetterprognose war korrekt. Wir sind bereits in T-shirts los und im Prinzip ging es den ganzen Tag in tropischer Vegetation an verschiedenen Flüssen entlang. Sie mündeten einer nach dem anderen zu einem reissenden Strom namens Playa. Die größte Herausforderungen heute waren die Engpässe besonders an Stellen der Felsabrutsche. Auf 20cm balanciert man zwischen Berg und Abgrund. Ein falscher Tritt und man landet 200m weiter unten im Strom. Dann waren da noch die unzähligen Brücken. Manchmal breit und ausgebaut, manchmal nur ein paar Stangen über den Abgrund gelegt. Mit Rucksack auf nassen, wackeligen Stämmen balancieren, genau mein Ding. Spätestens hier begann ich zu schwitzen aber auch die Sonne kam je nach Hanglage gut auf uns herab und so schmierte ich fleißig Sunblock und Moskitospray.

Am erstaunlichsten war die mannigfaltige Vegetation. Unzählige Blüten photographierte ich, die meisten davon noch nie zuvor gesehen. Zumindest hab ich Avocado, Banane und Kaffee erkannt. Im Camp angekommen legt sich Hugo heute nochmal richtig ins Zeug denn ab morgen Abend trennen sich unsere Wege leider schon. Zum Kaffee bringt er warmes Popcorn, das Dinner besteht aus drei Gängen: einer Gemüse Nudelsuppe, eine Art Rind Stroganov mit phantastischem Kartoffelpüree und als Dessert eine Maracuja Karamell Creme. Ich komme nicht umhin ihn irgendwie zu fragen, ob er früher mal Koch war und er versteht mich! Ich hatte Recht, er hat Koch gelernt und sattelte erst später um zum Tourguide, 47 ist er jetzt.

Das Camp ist gleichzeitig eine kleine Kaffeefarm bei der man die Schritte von Ernte bis Zubereitung erleben kann. Natürlich koste ich das lokale Getränk und muss mir sofort eine Packung für zuhause mitnehmen. Anders als bei uns wird hier eine Art Konzentrat gebrüht welches je nach Bedarf mit heißem Wasser gestreckt wird.

Morgen geht es bereits um 4 Uhr raus, denn bis Aguas Calientes wird das der längste Tag. Unter anderem stehen 4 Stunden Aufstieg in der Sonne auf dem Plan, Halleluja! Ich geh früh ins Bett.

Das Rauschen der Flüsse war den gesamten Tag zu hören.

Einer von vielen Wasserfällen

Zum Glück mussten wir da nicht rüber..

Die Vielfalt der Pflanzenwelt auf dem Weg.

Avocado heißt hier Palta

Hier mussten wir allerdings rüber

Lecker Kaffee gab’s am Ende des Tages

Moises (19) war bisschen schüchtern

Tag 4 - 17.12.2019

Scheisse, dachte ich, als ich bereits 23 Uhr vor Schmerzen im Knie aufwachte. Ich konnte kaum auftreten, noch das Bein vernünftig anwinkeln und strecken. Bis 4 Uhr konnte ich nicht mehr wirklich schlafen, ich war verwirrt und nervös. Es gab doch null Anzeichen während des Tages, noch war ich sonst körperlich ermüdet. Hugo erklärte mir dann mit Hand und Fuß, dass es wohl von den langen Abstiegen kommt und ich kein Einzelfall bin. Schnell beschließt er den 4h Aufstieg am Vormittag gegen einen Ausflug ins nahegelegene Thermalbad zu tauschen. Noch wütend auf mich selbst willige ich ein und lege mich wieder hin bis 7. Nach einer IBU Profen kann ich tatsächlich schlafen und der Schmerz ist auch beim Aufstehen schon etwas weniger. Die Wut verfliegt schnell beim Anblick der Therme, malerisch zwischen hunderte Meter hohen Bergen gelegen. Ich lasse die Seele baumeln und trete zum ersten Mal wieder in Kontakt mit der Außenwelt, denn dort gibt es Empfang. Ab 11 Uhr fahren wir zum Zwischenstopp und setzen von dort den geplanten Weg zu Fuß fort, das Knie hält. In Machu Picchu (Ort am Fuße des gleichnamigen Berges) verabschiede ich mich von Hugo und bekomme meine Tickets für die Stätte und die Rückfahrt nach Cusco. Ein warmes Bett hat sich lange nicht so gut angefühlt.

Thermalquellen sind besser als 4h Aufstieg

Auf dem Weg nach Aguas Calientes

Entlang an Schienen

Da hinten in den Wolken ist das Ziel

Abschied von Hugo, was für ein toller Mensch

Luxus am Ende der Strapazen

Tag 5 - 18.12.2019

Das große Finale! Der Wecker klingelt 4:30 Uhr und ich taumle durchs Zimmer um meine Sachen zu packen bevor ich dusche. Schnell einen Kaffee und dann zum Bus, der mich zum Eingang fährt. Ich löse mein 7 Uhr Ticket für den Heiligen Berg Waynapicchu. Auf dem Weg dorthin beschreite ich zum ersten Mal das Gelände der Stätte und muss vor Freude lachen, denn ich sehe bis auf zwei Besucher keine Menschen weit und breit. Zwischen Nebelschwaden hat der Anblick eine Wirkung die sich nur schwer in Worte fassen lässt, wirklich magisch. Meine befürchteten Bilder von Besuchermassen sollten sich erst bei der 11 Uhr Führung bestätigen. 2000 Besucher in der Nebensaison, Tag für Tag. In der Hauptsaison sind es sogar 5000.

Auf den Waynapicchu dürfen pro Tag jedoch nur 400 Besucher in zwei Staffeln. Als ich die endlosen Stufen nach oben steige wird mir auch klar warum. Die Pfade und Steintreppen sind so schmal, dass mehr Verkehr unweigerlich zu Abstürzen führen würde, denn es gibt am Abhang keinerlei Sicherung. Später frage ich nach den Todesopfern - offiziell seien es erst zwei: ein Selfieopfer und ein Suizid. Nunja.

Ich überhole so Einige aus der Schlange vor mir und irgendwie ist mein sportlicher Ehrheiz geweckt. Was, wenn ich der Erste da oben bin, zumindest für heute? Trotz kühlen Regens schwitze ich wie ein Schwein und tatsächlich ist auf den letzten Metern niemand mehr vor mir zu sehen. Alleine auf der Plattform will ich mich schon feiern, nur um dann um die Ecke eine letzte Treppe zu finden an deren Spitze schon drei Leute keuchend auf den Felsen lungern. Ich muss wieder lachen. Etwas enttäuscht über die nicht vorhandene Sicht inmitten der Wolken setze ich mich dazu und esse mein Frühstück. \240Hat auch was denke ich. Zumindest bin ich der Erste der den Berg wieder verlässt und so gebe ich allen Aufsteigern eine Zeitschätzung, wenn sie mich keuchend fragen wie weit es denn noch sei.

Die geführte Tour um 11 Uhr breche ich in der Hälfte ab und mache hier und da ein Photo, bevor ich nur dasitze, die klare Aussicht genieße und das alles wirken lasse. Das kommt in den Touren einfach zu kurz. Normalerweise hätte ich mich über die Touristen von heute Morgen aufgeregt, die mit dem Zug anreisten und sich dann in Turnschuhen über den Regen beschweren (in der Regensaison). Aber die letzten 5 Tage haben aus mir einen tiefenentspannten Gefährten gemacht, der die Szene mit einem Lächeln abtut und sich denkt: Der Weg ist das Ziel.

Ich hoffe ich kann mir diese Gelassenheit noch lange nach dem Urlaub bewahren.

The money shot. Der spitze Berg in der Mitte ist Waynapicchu, dort ging es am Morgen hoch.

Sie sind überall..

Der erste Anblick früh morgens noch etwas im Nebel

Etliche Mauern und Gänge...

...bis man oben angekommen ist. (Beweisphoto)

Antike Wasserrinne auf halb 8

Bewässerungsanlage

Einer der schönsten Momente ganz oben auf dem heilgen Berg Waynapicchu.